Stehen auf dem Golfball
Es geht wieder um Ihren Rücken – und noch viel mehr. Auch diese Übung mutet auf den ersten Blick ein wenig seltsam an. Aber auch sie hat es in sich. Ein großes Missverständnis in unserer Kultur ist die verkorkste, überdehnte und schmerzhafte Rückenmuskulatur, lebenslanges Experimentierfeld für Physiotherapeuten und Masseure. Und genau darum kümmert sich der Golfball. Aber es gibt noch andere Bonbons
Es kostet Überwindung
Was ich Ihnen jetzt vorschlage, werden Sie als Zumutung empfinden und das ist es auch. Zumindest am Anfang werden Sie fluchen und verzweifeln, aber später, ja später, dann werden Sie diese Übung lieben lernen. Manch einer (eher eine) ist geradezu süchtig danach geworden. Dabei ist es ganz einfach. Sie müssen lediglich auf einen Golfball treten, barfuß oder leicht bestrumpft. Damit der Golfball nicht wegrollt, kann man ihn auf eine raue Unterlage legen, ein Tuch, eine Matte oder etwas Ähnliches. Besser noch Sie stecken ihn in eine Socke oder einen Gesichtswaschlappen oder so etwas, damit er Ihnen nicht davonrollt. Ein Golfball sollte es schon sein. Er ist perfekt. Ein Tennisball geht gar nicht. Er ist viel zu weich. Steine oder Holzkugeln gehen natürlich auch, wenn zur Not nichts anders vorhanden ist. Aber der Golfball ist gerade wegen seiner Ausbuchtungen und seiner Größe besonders geeignet (die ideale Größe des Druckpunktes, unebene Oberfläche durch seine Dimpels). Gönnen Sie sich nur das Beste.
Überall nur schmerzhafte Punkte
Eigentlich ist es egal, wo Sie anfangen. Die ersten Tage wird es überall wehtun. Auf der ganzen Fußfläche wird es an die 30 Punkte geben, die alle schmerzhaft sind. Am besten fangen Sie so an. Sie stellen die Ferse auf den Boden, heben den Vorderfuß an und legen den Ball in die Nähe des Zehengrundgelenks. Jetzt verlagern Sie langsam Ihr Gewicht nach vorne. Damit haben Sie eine gute Möglichkeit, die Intensität des Druckes zu regulieren. Eigentlich ist es egal, an welcher Stelle der Fußsohle Sie den Ball platzieren. Wenn Sie einem gewissen Schema folgen, werden Sie weniger Stellen auslassen. Sie können wie beim Schreiben immer eine Zeile nach der anderen durchgehen. Die Punkte werden unterschiedlich schmerzen. Je weiter Sie sich der Ferse nähern, umso unangenehmer wird es werden.
Sie werden ihre Schwachstellen finden
Es sind insgesamt drei Faszien-Etagen, die das Fußgewölbe von vorne nach hinten in Spannung halten. Alle drei müssen bearbeitet werden. Es genügt also nicht, nur ein wenig auf den Ball zu treten. Wenn Sie genau darauf achten, gibt es tatsächlich drei unterschiedliche Schmerzintensitäten an derselben Stelle. Versuchen Sie möglichst immer, die Stufe zwei zu erreichen. Eine besondere Beachtung sollten Sie dem langen Wulst schenken, der sich an der Fußaußenkannte entlang zieht. Er ist besonders belastet und verspannt, weil die überwiegende Mehrzahl hier auftritt und abrollt.
Die Achillessehne braucht mehr Bewegungsfreiheit, mehr Sprungkraft
Was macht nun gerade diese Stelle am Körper so interessant? Einmal muss man die Fußsehnen funktionell als Verlängerung der Achillessehne ansehen. Das bedeutet, die Achillessehne beginnt an der Unterseite der Zehen und reicht mindestens bis zum Oberschenkel, funktionell sogar bis zum Becken. Das ist die Sehne für große Sprünge. Kängurus schaffen mit einem Sprung 7 m. Bei den meisten Menschen ist diese Sehne deutlich verkürzt durch unsere Gewohnheit, Schuhe zu tragen.
Hauptsehne, bitte das Knie entlasten
Wir bekommen also mehr Freiheit und Entspannung in den Unter-schenkel und vor allem ins Knie, da die Sehne mit ihrem Muskel bis zum Oberschenkelknochen reicht. Das ist nicht die einzige Klammer, die fast bei jedem von uns das Knie einseitig zusammenschiebt und damit eine Fehlbelastung zwangsläufig hervorruft, aber doch eine wesentliche.
Alle Fußsehnen werden länger und damit der Stand stabiler
Eine der Funktionen haben Sie gerade schon erfahren, die Entlastung des Knies. Eine andere wichtige Funktion für den Golfball wird sein, die Funktion des Fußes wiederherzustellen. Die Wirkung ist im Fuß sofort zu erkennen und betrifft auch die dazugehörigen Belastungsbahnen. Da alle Fußsehnen praktisch verkürzt sind, weil wir permanent Schuhe tragen, gilt es eben alle Sehnen wieder auf Normallänge zu dehnen (zu verlängern). Damit gemeint sind die unterschiedlichen, seitlichen Sehnen, die wie ein Steigbügel für die seitliche Stabilität des gesamten Beines verantwortlich sind. Aber auch die vorderen, die funktionell mit dem Fuß eine Einheit bilden. Praktisch sind die Füße aller Schuhträger massiv eingeschränkt. Auch die von Spitzensportlern. Die dazugehörigen großen Muskeln sitzen alle im Unterschenkel.
Der Hauptspannungsbogen an der Rückseite
Ein viel wichtiger Aspekt betrifft die Oberflächliche Rücken Linie*. Sie beginnt bei den Zehen, folgt dann auf der Rückseite über Beine, Rücken, Hals und Kopf bis zu den Augenbrauen. Wie mit einer Klammer wird die gesamte Rückseite nach hinten gezogen. Mit dem Drücken und Dehnen der Fußsehnen und Faszien wird die komplette Leitungsbahn beansprucht. Schon nach 2 Minuten intensiver Bearbeitung eines Fußes kann man die Wirkung entlang der ganzen Straße verfolgen. Das ist wirklich ein Knüller. Wie von Geisterhand reguliert sich die gesamte Bahn.
Haben Sie sich erholt oder sind Sie jünger geworden?
Wenn Sie nach Ihrer kurzen Behandlung („Quälphase“) loslaufen, werden Sie überrascht registrieren, um wie viel leichter Ihr Fuß geworden ist. Auch das ganze Bein lässt sich müheloser bewegen. Es ist geschmeidiger geworden, und manchmal werden Sie die gesamte Seite als leichter empfinden. Sie sind in ein paar Minuten jünger geworden. Sie haben Ihre Haltung leicht verändert und die Muskulatur wieder mehr entspannt. So verbrauchen Sie weniger Kraft. Sie sind beweglicher, schwungvoller, dynamischer. Es fühlt sich so an und es ist tatsächlich so. Sie verlieren jetzt weniger Energie, werden insgesamt leichter, trauen sich mehr zu und nebenbei reduziert sich auch noch der Schmerz, weil offensichtlich das Gehirn diese Veränderung sofort registriert.
Selber machen überzeugt, die Oberflächliche Rückenlinie ist tatsächlich entspannt
Eine kleine Demonstration. Sie stehen mit einem Fuß auf dem Ball. Der Druck soll mindestens unangenehm bis schmerzhaft sein. Sie können den Ball auch ein wenig bewegen und unter Ihrer Sohle rollen. Nach 2 Minuten entfernen Sie den Ball und stellen sich in normaler Haltung locker hin mit normalen Fußabstand. Wenn Sie sich jetzt nach vorne beugen und die Arme locker runter hängen lassen bis ungefähr auf Kniehöhe, sehen Sie sich bitte Ihre beiden Hände an. Die Hand, auf deren Seite Sie den Fuß entspannt haben, sollte ein wenig tiefer zum Boden hängen (klappt in ca. 80 %). D.h., die senkrecht zur Oberflächlichen Rückenlinie verlaufende Armlinie wird über eine Kreuzung in der Schultergegend ebenfalls sichtbar ein wenig gelockert.
Wie der Golfball Kopfschmerzen beseitigt
Hätten Sie für möglich gehalten, dass der Golfball ein einfaches und wirksames Instrument ist, um Kopfschmerzen zu beseitigen? Bei Frauen ist diese Methode ziemlich beliebt. 20 % meiner Kopfschmerzpatienten haben den Golfball wirklich in ihr Herz geschlossen, da er ihnen ein Leben ohne Kopfschmerzen ermöglicht. Auch hier gilt: Regelmäßige Übung. Am besten schon morgens beim Zähneputzen. Ursache der Kopfschmerzen sind natürlich Verspannungen im Nacken und Schulterbereich, die dann die Kopffaszie so versteift und einschnürt, dass das Ganze wie eine viel zu enge Badekappe wirkt.
Denken Sie nicht lokal, sondern komplex
Auch hier muss nicht die Lösung des Problems in unmittelbare Nähe sein, wie wir es gern vermuten. Die klassische Medizin mit Ihrer immer weiteren Spezialisierung (Aufspaltung) fördert unbewusst diese Vorstellung. Die tägliche Erfahrung unserer neuen Welt sollte uns doch eigentlich lehren, dass es auf die Entfernung nicht ankommt, sondern nur auf die Funktion. Die Energie eines Lichtes kommt nicht mehr von dem Öl einer Petroleumlampe, sondern aus weit entfernt liegenden Generatoren. Und durch das Internet lernen wir, alles ist mit allem verbunden.