Arthrose

Nur ein Wort, ein nebulöser Begriff oder ein Schicksal?

Der Begriff „Arthrose“ oder die Diagnose „Arthrose“ ist ein gutes Beispiel für die ungenaue Beschreibung eines Krankheitsphänomens, das wir unmöglich richtig einordnen können, ohne gleichzeitig wesentliche Aspekte auszuklammern oder sie bewusst zu missachten. Wir werden also gezwungen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind, uns selbst massiv zu betrügen. Das ist normalerweise gar nicht so einfach. Denn wir müssen vorher eine ziemlich intelligente Wach- und Prüffunktion konsequent ausschalten. Denn ziemlich logische und kritische Einwände zu der These „Arthrose“ gibt es zuhauf, wie wir später noch sehen werden. Aber die werden offensichtlich nicht mehr bis zur klaren logischen Ebene durchgelassen. Sie versinken in einem emotionalen Glaubensbrei.

Wir haben Logik trainiert

Als kleine Kinder konnten wir kaum sitzen. Da bestand eines unserer ersten Logik-Trainer-Spiele darin, ein Klötzchen von bestimmter Form und Grösse (Dreieck, Quadrat, Rechteck) durch eine entsprechende Aussparung zu schieben. Unmöglich hinzukriegen mit dem falschen Stein. Was auch nicht möglich war, einen Puzzleteil zurecht zu stutzen. Aber genau das machen wir bei unserer „Arthrose“- Diagnose. Wir greifen uns einen Stein und schneiden so lange die unpassenden Ecken ab, bis das Klötzchen sich durch die Lücke pressen lässt. Jetzt sind wir zufrieden und glücklich.

In der Vergangenheit lautete Arthrose lapidar als „Gelenkverschleiss, der das altersübliche Mass übersteigt“ bezeichnet. Eine schwammige Formulierung! Wer setzt das altersübliche Mass fest? Was ist Vererbung? Welche Rolle spielt der kulturelle Hintergrund oder der Beruf?

Auf jeden Fall kann man die Zeichen einer Arthrose beschreiben, die wir an den Gelenken mit unseren bildgebenden Verfahren entdecken können (Ultraschall, Röntgen, Computertomographie, Magnet-Resonanz-Tomographie). Aber:

Es gibt Gelenkveränderung ohne Schmerzen und Schmerzen ohne Gelenkveränderung!  Die arthrotischen Zeichen an den Knochen besagen lediglich, hier waren Zug und Druckkräfte über längere Zeit unausgeglichen gewirkt haben.

Eine neue Sicht muss her und damit eine neue Therapie

Das heisst: Eine unausgeglichene Haltung, eine Dysbalance von Belastungsstrassen, führt zur Einengung der Gelenke. Arthrose ist in vielen Fällen vermeidbar, wenn wir die Zeichen früh genug erkennen und die Verspannung beseitigen. Ein unbelastetes, in seiner Funktion nicht eingeschränktes Gelenk wird sich selbst reparieren, und zwar überraschend schnell.

Unsere eigenen Betrügereien wollen wir nicht sehen

Wir sind so begeistert von unserer betrügerischen Leistung, dass wir auch das daraus zwangsweise resultierende, mangelhafte Resultat der Therapie mit einem Zufriedenheitsmäntelchen zudecken. Und das in grossem Stil. Jeder macht es in der westlichen Zivilisation, unabhängig von Bildungsstand, sozialer Stellung oder Nationalität. Eigentlich völlig unverständlich. Jahrelang haben wir überall irgendwelche Therapien ausprobiert, die wenn überhaupt, nur vorübergehend wirken. Damit wird eine lebenslange Behandlung von vorneherein erwartet und in Kauf genommen. Eine zunehmende Verschlimmerung der Symptome im Laufe der Zeit wird mit dem zunehmenden Alter der Patienten erklärt. Alles schicksalsbedingt also, vielleicht sogar erblich?

Wir leben in einer Welt von Vorstellungen

In unserer modernen Zeit weiss eigentlich jeder aufgeklärte Mensch, dass wir in einer Welt von Vorstellungen leben. Das war eigentlich immer schon so und wird uns auch ganz deutlich, wenn wir uns in die Vorstellungswelt unserer eigenen Vorfahren versuchen zu setzen (zum Beispiel ins Mittelalter oder noch 1000 Jahre vorher). Die Unterschiede erleben wir auch heute direkt, wenn wir auf Reisen mit anderen Kulturen und ihren Anschauungen in Kontakt treten (oder auch in unserem eigenen Heimatland).

Jede Kultur hat eine andere Vorstellung

Die in letzter Zeit dramatische Völkerwanderung von Menschen anderer Kulturen in den europäischen Raum und die für uns oft irrationale Aktion oder Reaktion von Machthabern machen es heute nötiger denn je, sich bewusst zu werden, wie sehr auch unsere angenommenen Wahrheiten nur Vorstellungen sind, die sich ändern werden.

Auch die Medizin arbeitet mit Annahmen und Vorstellungen

Diese Vorstellungen halten sich mehr oder weniger lange, aber auf jeden Fall werden sie sich ändern. Noch vor gar nicht so langer Zeit (1982) hat die Fachwelt zwei australische Ärzte verhöhnt (John Robin Warren und Barry Marshall), die allen Ernstes behaupteten und im Eigenversuch bewiesen, Magengeschwüre würden von Bakterien verursacht (Helicobacter pylori) und könnten mit ein paar Tabletten Antibiotika ganz einfach geheilt werden. 2005 haben beide dann den Nobelpreis bekommen. Zehn Jahre hat es gedauert, bis Chirurgen den Wechsel akzeptiert haben (bis dahin wurden tausende Patienten völlig unnötig weiter operiert).

Was ist eigentlich „Arthrose“? Eine Überlastung oder eine Unterforderung?

Bis vor kurzem waren sich die meisten Fachleute einig darüber, dass Arthrose irgendwie von einer Überbelastung oder Fehlbelastung herrührt. Da ist man sich heute nicht mehr ganz so sicher. Es mehren sich die Stimmen, die genau das Gegenteil vermuten, nämlich die Unterforderung des Gewebes. Diese Über- oder Unterbelastung kann alle Gelenke betreffen und somit im ganzen Körper auftreten, dabei sind offensichtlich nicht alle Gelenke gleich häufig betroffen.

Ein Gelenkverschleiss, der das altersübliche Mass übersteigt?

Eine genaue Definition des Begriffes Arthrose gibt es nicht. Zufrieden sein konnten wir aber auch nicht mit der in der Vergangenheit lapidaren Beschreibung, „Arthrose ist ein Gelenkverschleiss, der das altersübliche Mass übersteigt“. Eine ziemlich schwammige Formulierung. Wer setzt das altersübliche Mass fest? Was ist Vererbung? Welche Rolle spielt der kulturelle Hintergrund oder der Beruf?

Der Beweis – Bilder

Auf jeden Fall kann man die Zeichen einer Arthrose beschreiben, die wir an den Gelenken mit unseren bildgebenden Verfahren entdecken können (Ultraschall, Röntgen, Computertomographie, Magnet-Resonanz-Tomographie). Dabei gibt es unterschiedliche Stadien.

Die Stadien der „Arthrose“ im Bild sind festgelegt:

  • Stadium 1: Rauigkeiten und Ausdünnung der Knorpelschicht mit quer laufenden Rillen
  • Stadium 2: Zysten in abgestorbenem Knorpel- und Knochengewebe
  • Stadium 3: Geschwüre
  • Stadium 4: Abflachung des Gelenks und das langsame Entstehen von Randwülsten.

Die Veränderung der Hüfte (Dysplasie) ist hierfür das Paradebeispiel.

Das grosse Dilemma

Es gibt Gelenkveränderung ohne Schmerzen und Schmerzen ohne Gelenkveränderung. Irgendwie ist es merkwürdig, aber eine Veränderung im Gelenk muss nicht zu einer Einschränkung der Beweglichkeit oder gar zu Schmerzen führen. Spielt die Gelenkveränderung also gar keine Rolle? Müssen wir darauf gar nicht achten? Oder worauf müssen wir achten?

Arthrose ohne Schmerzen bedeutet gar nichts

Es gibt genügend Beispiele für unerträgliche Gelenkschmerzen (von denen wir meinen, sie kommen aus dem Gelenk), ohne dass eine Unregelmässigkeit am Gelenk zu sehen ist. Die Sachlage ist also verwirrend und macht das geforderte sichere Auftreten des Arztes schwierig, der die Diagnose stellt.

Warten auf Veränderung

Ein praktischer Ausweg aus diesem Dilemma wird in der Regel im Verlauf der Therapie so aussehen. So lange keine Veränderung in einem Bild zu sehen ist, werden Kontrolluntersuchungen angeordnet (die natürlich nichts verändern) und um den Mangel an Ideen auszugleichen und nicht untätig dazustehen, soll ein Physiotherapeut (oder sonstiger Manualtherapeut) mit konservativen Mitteln versuchen, die Situation zu verbessern, nämlich, die Schmerzen auszutreiben. Die üblichen 2×9 Behandlungen als Verordnung in der Schweiz (in Deutschland 2×10) zeigen klar, keiner erwartet ernsthaft auch nach 20 Behandlungen eine irgendwie geartete Besserung. Sie sehen, eine offensichtliche Ohnmachtserklärung).

Die weitaus gängige Praxis

Man hat tatsächlich manchmal den Eindruck, mit einer Therapie wird so lange gewartet, bis sichtbare Veränderungen einen juristisch einwandfreien Grund liefern, eine der zahlreich im Programm stehenden Operationen durchzuführen. Solange wird die hilfreiche Hand des Arztes zum Wohle der Pharmaindustrie einen Schmerz Cocktail anbieten. Eine andere, endgültige Therapie gibt es bislang nicht. Vorübergehende Linderung, ja die ist möglich, Schonung kann vielleicht den Prozess aufhalten, aber eine Heilung, die gibt es nicht.

Der Körper will heilen, kann aber nicht, da der schädliche Einfluss nicht beseitigt ist

Unser Körper ist Tag und Nacht darauf eingerichtet, sofort mit der Reparatur eines jeglichen Schadens zu beginnen. Warum macht er das hier nicht und warum kann er das offensichtlich nicht an den Gelenken? Es gibt nur eine vernünftige Erklärung für dieses Dilemma. Die Ursache des Schadens, der Grund, warum es überhaupt zu dieser Einschränkung und Veränderung gekommen ist, besteht immer noch weiter. Der Körper kann noch nicht mit den Aufräumarbeiten und der Heilung beginnen. Er wird daran gehindert. Sobald sich eine neue Knorpelschicht gebildet hat, wird sie wieder abgeschabt. Sie kennen das von einer Wunde, die nicht vernünftig und ordnungsgemäss heilen kann, wenn sie dauernd wieder aufgerissen wird.

Noch einmal zusammengefasst. Die gängige, alte Vorstellung

Bisher haben wir immer von Arthrose gesprochen, als Sammelbegriff. Die Abgrenzung zu einer Arthritis, einer entzündlichen Erkrankung ist für Laien nicht ganz einfach. Oft kommt es zu Verwechslungen. Arthrose ist die häufigste Gelenkerkrankung. Ein Drittel der Frauen und ein Viertel der Männer zwischen 45 und 65 Jahren sollen von Arthrose betroffen sein, ältere natürlich noch häufiger. Stoffwechselerkrankungen (Diabetes, Gicht) begünstigen die Entstehung in einigen Fällen. Die offiziellen Thesen sind heute immer noch:

  1. In fast allen Fällen ist die Arthrose idiopathisch, das heisst, eine derzeit fassbare Ursache ist nicht bekannt.
  2. Arthrose ist nicht heilbar. Man kann lediglich die Beschwerden lindern und das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen. In schweren Fällen muss das Gelenk durch ein Kunstgelenk (Endoprothese) ersetzt werden.

Eine Ohnmachtserklärung in der Medizin. Man weiss nicht, woher die Erkrankung kommt und deswegen weiss man auch nicht, wie man sie vermeiden kann.

Eine neue Sicht muss her und damit eine neue Therapie

Diese altertümliche Sicht des irreparablen Schadens eines Gelenkes und das Abwarten einer Therapie, bis sich endlich eine Veränderung zeigt, diese Sicht sollten wir so schnell wie möglich verlassen und uns folgenden Standpunkt aneignen:

Eine unausgeglichene Haltung, eine Dysbalance von Belastungsstrassen, führt zur Einengung der Gelenke. Arthrose ist in vielen Fällen vermeidbar, wenn wir die Zeichen früh genug erkennen und die Verspannung beseitigen. Ein unbelastetes, in seiner Funktion nicht eingeschränktes Gelenk wird sich selbst reparieren.

Funktion schlägt Struktur

Die arthrotischen Zeichen an den Knochen besagen lediglich, hier waren Zug und Druckkräfte über längere Zeit unausgeglichen.

Das unterschiedliche Ziehen und Drücken der umgebenen Muskulatur hat den Gelenkkopf so weit aus der Idealposition verschoben, dass es auf die Dauer zu Reibungen und Verletzungen des Knorpels und des Knochens kommt.

Schmerzen und Arthrose gehören nicht zusammen

Seitdem wir dazu übergehen, immer grosszügiger eine ganzkörperliche Diagnostik zu betreiben, kommen Ärzte zunehmend in Erklärungsnot. Die hochauflösenden Bilder zeigen an verschiedenen Gelenken eindeutig die Zeichen einer Arthrose. Schmerzen und Bewegungseinschränkung findet man jedoch an einigen. Wie kann das sein? Entweder ist ein Gelenk geschädigt oder nicht.

Langsame Veränderung – kein Schmerz

Dieses Rätsel können Sie inzwischen selbst lösen. Sie wissen ja, bei einer langsamen Veränderung, auch im Gelenkbereich sieht das Gehirn keinen Sinn darin einen entsprechenden Schmerzbefehl in diese Region zu schicken. Das erklärt die vielen Arthrosezeichen ohne Schmerzen. Die Veränderung war so langsam, dass der Körper sich inzwischen daran gewöhnt hat. Würden Sie sich operieren lassen, wenn Sie keine Schmerzen hätten, nur, weil auf einem Bild eine unerklärliche Variation entstanden ist, die in keiner Weise die Funktion einschränkt?

Die Borderline Situation

Manchmal empfinden wir durch die ausgeglichenen Tensegrity Kräfte eben keinen Schmerz. Warum an einem Tag ein Schmerzbefehl gesendet wird und an einem anderen Tag nicht, kann so erklärt werden. Es handelt sich möglicherweise um eine Borderline Situation. Entweder sind die Faszienstrassen soweit intakt, dass die Tensegrity Struktur des Körpers die verschiedenen Zug- und Druckkräfte in alle Richtungen verteilen kann, dann haben wir keine Schmerzen.

Dann mit Verspannung der Belastungsstrassen ist der Schmerz wieder aufgeschaltet

Sollten allerdings die Faszien an der Grenze der Überspannung weiter gedehnt werden, genügt ein kleines, zusätzliches Gewicht auf der unausgeglichenen Körper-Waage, zum Beispiel eine unglückliche Bewegung, um dann den Kraftvektor umzukehren. Das gesamte Gewicht wird sofort als Last und Qual empfunden, als Schmerz. Hier wird es höchste Zeit, den Energieabfluss aufzuhalten und die Tensegrity Struktur wiederherzustellen. Es geht also gar nicht um eine Veränderung an den Knochen (die man sehen kann), sondern um eine Kräfteverschiebung in den weichen Strukturen. Wir sind noch nicht daran gewohnt sie richtig zu interpretieren (im Alter sind wir eben nicht mehr so beweglich wie früher) und wir ziehen sie in unserer Therapieüberlegung entsprechend auch nicht ein.

Diese Schmerzen sind Projektionen des Gehirns

Wie weit diese Dysbalance fortgeschritten ist und ob sie in der Lage ist, uns zu schädigen, hat leider überhaupt nichts mit dem Auftreten von Schmerzen zu tun. Die werden im Gehirn generiert und sind das Ergebnis einer zusammengefassten Einschätzung unserer obersten Schutzfunktion. Ist die der Meinung, wir sind in Gefahr, wird ein Schmerzsignal gesendet (in die Gegend der Belastung projiziert). Es handelt sich also nie um ein objektives Kriterium, sondern um eine subjektive Einschätzung, die durchaus variieren kann.

Die Verspannung kann man genau nachweisen

Dennoch ist der Grad der Verspannung objektiv darstellbar. Und zwar überraschend genau. Mit einiger Erfahrung kann man nicht nur die einzelnen Muskeln identifizieren, sondern in vielen Fällen sogar die einzelnen Muskelfasern. Und zwar jeweils am Übergang der zugehörigen Faszien in den Knochen. Das Phantastische ist, wir finden immer exakt den Zustand vor, wie er sich genau in diesem Moment, in der jetzigen Situation darstellt.

Wie auf einer lebenden Landkarte – jede Veränderung wird sofort angezeigt

Grad und Ort der Verspannung können wie auf einer Landkarte eingetragen werden. Da wir uns laufend verändern, zeigt auch diese Karte schwankende Ergebnisse. So sind auf der rechten und linken Seite des Körpers bei den gleichen Muskelfasern meist deutliche Unterschiede zu registrieren, auch die Tagesform ist entscheidend, morgens und abends finden wir abweichenden Ergebnisse und natürlich auch vor und nach einer Übung. Es sind eben lebendige Momentaufnahmen, die sofort zum Handeln auffordern ganz anders als starre Röntgenbilder, die eine abwartende Haltung erzwingen.

Es geht nur um eines, Entspannung

Sobald wir die Schmerzen aus dieser Perspektive betrachten, und nur darum geht es, nicht um irgendwelche Knochenveränderungen, lösen sich die Widersprüche von selbst auf. Wir können sofort anfangen, wirkungsvoll zu therapieren. Es geht hier nicht um die Glättung eines angefressenen Knochens. Diese Therapie macht offensichtlich keinen Sinn. (Deswegen werden Arthroskopien in vielen Ländern nicht mehr von den Kassen bezahlt)

Der Schmerz ist lediglich eine Aufforderung: Tu was!

Unseren Stützapparat überhaupt zu deformieren, das soll vermieden werden. Das Gleichgewicht wiederherzustellen, ist wichtig. Ein Schaden soll auf jeden Fall verhindert werden. Das Warten auf ein Arthrose-Zeichen auf einem Röntgenbild ist der falsche Weg, um aktiv zu werden. Man soll und kann vorher eingreifen. Der Schmerz fordert uns auf, hinzugucken und etwas zu unternehmen. Er ist nicht dazu da, uns zu quälen. Das wäre völlig unsinnig und für die Natur widersinnig. Was hätte das für einen Sinn? Eine Strafe? Wofür? Unser Körper straft nicht, er schützt uns. Der einzige Sinn des Schmerzes ist es, unsere Aufmerksamkeit zu erregen, damit wir neue Bedingungen schaffen, um eine Fehlsituation wieder auszugleichen.

Individuelle Belastungsbahnen und Faszien müssen entspannt werden

Es sind immer die Faszien, die verschiedenen Sehnen und Bindegewebsplatten, die verkürzt und verengt sind und die an den Gelenkkapseln zerren, die Räume verkürzen, Spannung erzeugen und damit die Gelenke einengen. Diese Verkürzungen folgen den individuellen Belastungsbahnen, die sich bilden auf Grund von all dem, was den Körper in seinem bisherigen Leben beeinflusst und geformt hat. Verletzungen, Beruf, genetische Prädisposition, sportliche Aktivitäten. Nicht alle Abschnitte auf diesen Bahnen sind gleich belastet. Die bevorzugte „starke“ Muskulatur hat Vorrang und neigt als erstes zur Verspannung. Dazu kommen kulturelle, nicht mehr veränderbare Lebensgewohnheiten, bei uns das übermässig lange Sitzen mit der merkwürdigen Haltung des nach vorne geschobenen und nach hinten gebeugtem Kopf mit der unnatürlichen Stellung der Maushand.

Tägliche Belastungen können die Hauptbahnen verstärken oder auch schwächen, je nach dem zu welcher Muskelgruppe sie gehören. Doch hier gleich noch einmal zur Warnung. Diese verkürzten Muskeln sind nicht diejenigen die schmerzen. Es ist die Gegenseite. Das bedeutet, beide Seiten müssen unbedingt behandelt werden, besonders aber die konzentrisch verspannte Seite, die mit den verkürzten Muskeln.

Die Dysbalance der gegenüber liegenden Muskelgruppen muss behoben werden

Bis hierhin ist eigentlich alles recht einfach logisch und nach vollziehbar. Aber jetzt kommt noch ein anderer Faktor dazu, die neurologische Verknüpfung der Gegenmuskulatur. Entgegengesetzte Muskeln und Muskelsysteme sind füreinander da, können sich alleine gar nicht bewegen und müssen sich laufend miteinander unterhalten. Wird ein Muskel stärker beansprucht, so muss sich dieser Muskel zwangsläufig stärker zusammenziehen, verkürzen. Stellen Sie sich den bei Bodybuildern so beliebten Bizeps vor. Wird der übermässig trainiert (und dabei verkürzt), muss der Gegenmuskel, in diesem Fall der Trizeps auf der Hinterseite des Oberarms genau die gleiche Spannung aufbauen wie der Bizeps. Wäre das nicht der Fall, würde der Athlet mit angewinkelten Armen herumlaufen. Nach extremem Training ist das ja auch tatsächlich oft der Fall. So wird das Ellenbogengelenk unter permanenten Druck gesetzt und irgendwann kann es sich nicht mehr ganz gerade strecken lassen.

Das gilt für alle Gelenke

Dieses Prinzip können Sie auf jedes andere Gelenk übertragen. Nehmen Sie zum Beispiel das Kniegelenk. Bei den vielen starken Muskeln, darf es nicht wundern, warum es so viele Knieprobleme gibt. Es ist ein wenig geschütztes, flaches Gelenk und von oben und unten, von vorne und hinten zerren ausgesprochen dicke, starke Muskelpakete in die verschiedenen Richtungen, verschieben das Gelenk und engen es ein. Und in vielen Fällen ist die Diagnose dann „Arthrose“.

Die neue Sicht gibt einfache Antworten auf bisher unerklärbare Phänomene

Die folgenden Phänomene sind alle typisch für Arthrose und verlangen nach einer einleuchtenden Erklärung.

  • Da sind einmal die so genannten Anlaufschmerzen. Zu Beginn einer Bewegung treten heftige Gelenkschmerzen auf, die nach ein paar Minuten deutlich weniger werden.
    Erklärung: Die Anlaufschmerzen gehen auf das Konto der verspannten Muskulatur. Mit jeder Bewegung werden die Muskeln weicher und geschmeidiger. Die Spannung in den betroffenen Sehnen nimmt ab. Der Schmerz wird weniger.
  • Oder die Beobachtung der stärker werdenden Beschwerden beim Bergablaufen oder beim Treppensteigen.
    Erklärung: Beim Bergablaufen geschieht genau das Gegenteil. Der grosse, vordere Oberschenkelmuskel wir gewaltig strapaziert. Er muss nämlich Berg ab eine für ihn schwierige Bewegung machen. Anstatt sich zu kontrahieren und zu verkürzen (dazu sind Muskeln gemacht) muss er sich bei jedem Schritt verlängern und auseinanderziehen lassen. Das geht nur holperig und führt zur massiven Verkürzung des gesamten Systems, zu Verspannung und Schmerz. Das Treppensteigen belastet auch besonders den vorderen Oberschenkelmuskel.
  • Dagegen scheint die Reibung in den Gelenken trotz hoher Belastung beim Radfahren keine Probleme zu machen.
    Erklärung: Beim Radfahren wird das Knie nie ganz durchgestreckt. Bei gebeugtem Knie können nicht alle Muskeln verspannt sein. Die hintere Oberschenkelmuskulatur und die Wadensehnen befinden sich jetzt ausserhalb des Gelenks. Die Spannung ist aus dem Knie. Selbst wenn der Meniskus kaputt ist oder die rauen Flächen des arthrotischen Kniegelenks aufeinander reiben, das Knie schmerzt nicht, weil das Knie eben nicht verspannt ist.
  • Und wieso schmerzt später die Arthrose dann schon in Ruhe und lässt uns nachts nicht schlafen, obwohl wir uns gar nicht bewegen und somit die Gelenkflächen nicht aufeinander reiben?
    Erklärung: Treten Schmerzen bei Ruhe und Schlaf auf, so kann wieder nicht die Gelenkfläche dafür verantwortlich gemacht werden, geschädigt oder nicht, denn es reibt ja nichts. Aber die durch Inaktivität verkürzen Muskeln und Faszien, ziehen sich weiter zusammen und verkleinern den Gelenkspalt, sobald keine Bewegung mehr erfolgt und je länger man ruhig da liegt. Ein teuflischer Kreislauf.

Für „Arthrosepatienten“ gibt es also zwei unterschiedliche Lösungen:

1. Haltungsänderung und Auflösung der Dysbalancen (betrifft also alle jüngeren Patienten mit Chronischem Schmerz, egal welches Ausmass die Knochenveränderungen haben)

2. Operation (hier kommt eigentlich nur ein künstlicher Gelenkersatz in Frage)

Endoprothese

Bei massiver Schädigung geht es nicht anders. Das Gelenk oder ein Teil davon muss ersetzt werden. Operationstechnisch ist das heute kein Problem mehr. Trotzdem sind die Resultate nicht in jedem Fall befriedigend.

Die Indikation zur Endoprothese ist “Beseitigung des Schmerzes“

Modernen Operateuren ist sehr wohl klar, dass die Indikation zu dieser grossen Operation nicht die bisher aufgeführte „Arthrose“ ist. Auf der Einverständniserklärung zur Operation (der Grund warum man überhaupt die Operation macht) ist als Indikation angegeben „Schmerz“. Und Ziel der Operation ist: “Beseitigung der Schmerzen“.

Das Kuriose, der Patient stellt also die Indikation, nicht der Arzt.

Das heisst im Klartext der Patient ist immer derjenige, der die Indikation stellt und auch den Zeitpunkt der Operation festlegt. Der Arzt bestimmt, wie es gemacht wird. Die Operation ist ein medizinischer Service für bessere Lebensqualität. Es geht nicht um Heilung und auch nicht um Beseitigung einer Krankheit. Der Patient bestimmt den Zeitpunkt des Gelenkersatzes, der Operateur wählt den einfachsten Weg und die besten Mittel. Das ist die Wahrheit. Bedeutet aber auch, der Chirurg ist im Falle eines nicht so überragenden Erfolges nicht haftbar zu machen (weil er auch nicht die Indikation gestellt hat).

Die Schmerzen sind nicht weg und dann?

Zum einen müssen Sie sich darüber im Klaren darüber sein, dass die eigentlichen Ursachen, nämlich die Verspannung und die Dysbalance nicht behoben sind. Das bedeutet, es kann am selben Gelenk immer noch zu Schmerzen kommen aber es können auch andere Bereiche der Belastungskette sich melden (Rücken, Nacken, Arme). Auf der anderen Seite ist eine möglichst rasche Beweglichkeit der gesamten betroffenen, bisher lahm gelegten Körperseite unbedingt anzustreben. Denn es steht zu befürchten, dass weitere, bisher noch nicht betroffene Muskelgruppen und -strassen sich weiter verkürzen, sich also die Allgemeinsituation dramatisch verschlechtern kann.

Gelenkersatz, ein unbeweglicher Fremdkörper

Wichtig ist, sich immer wieder vor Augen zu halten, man hat künstliches, nicht bewegliches, totes Material in seinem eigenen Körper. Nicht an einer wenig belasteten Stelle, wie zum Beispiel bei einer Herzklappe. Das Gegenteil ist der Fall, an Knie und Hüfte werden bei jeder Bewegung ziemlich grosse Kräfte ansetzen. Diese belasteten Teile sind es, die der Körper in Zukunft am wahrscheinlichsten umformen wird. Die Veränderung in unserem Leben, unsere Haltung verlangt dieses. Nach 5 Jahren sind die Winkel unserer Gelenke nicht mehr dieselben. Das heisst, mit zunehmender Belastung passt die Prothese nicht mehr. Wie oft kann man die austauschen? Es kommt darauf an, wie lange Sie leben. Doch von mal zu mal werden die Operationen schwieriger und aufwendiger und die Erfolgsquote sinkt drastisch. Also möglichst vor einer Operation, in jungen Jahren das Problem verstehen und beseitigen.

Osteoporose

In diesem Zusammenhang spielt auch Osteoporose eine Rolle. Das Auslagern von Kalk aus den Knochen ist für den Körper ein logischer Prozess. Je leichter der Organismus ist um so beweglicher ist er (Tensegrity-Prinzip). Wenn auf Grund von Schmerzen Bewegungen eingeschränkt werden, beginnt eine fatale Kettenreaktion. Wenn ein Gelenk blockiert ist, zum Beispiel ein Knie dann wird das andere Knie automatisch fehl belastet, mit der Folge, dass es auch hier zu Dysbalancen kommen muss. Von jetzt an kann man gut beobachten, wie sich der Schleier der Unbeweglichkeit um immer weitere Gelenke legt.

Knochen belasten durch Ein-Bein-Stand

Durch gleichzeitigen Zug und Druck der gegenüberliegenden Muskelketten auf denselben Knochen ist der in der aktiven Phase des Lebens belastet worden. Jetzt ist Schluss damit. Ruhe kehrt ein. Der Körper braucht seine starken Knochen nicht mehr. Verzweifelte Versuche mit Vitamin D Kalk in den Knochen hinein zu pumpen scheitern oft an der Weisheit des Körpers. Dabei wäre es doch so einfach. Mein Tipp, gerade bei mangelnder Beweglichkeit. Zerren Sie an Ihren Knochen. Wie? Ganz einfach. Bleiben Sie jeden Tag, solange es geht, barfuss auf einem Bein stehen (für Fortgeschrittene mit geschlossenen Augen). Dann wechseln auf das andere Bein. Dabei weder irgendwo abstützen oder anlehnen. Wenn Ihr Körper etwas für Sie tun soll, müssen Sie ihn unter Druck setzen. Dann verändert er sich auch. Eine Altersbegrenzung hierfür gibt es nicht.

Übungen: